Freitag, 17. Juli 2015

Russisch Lernen in Moskau

Was auch immer sie tat, sie tat ihren Job gut, denn danach bekamen wir einen Anruf der Agentur, dass der nächste Schritt möglich sei. Am Freitag sollten wir uns morgens um halb zehn mit dieser Mitarbeiterin an einer Metro Station treffen, sie würde uns dann mit zur Behörde nehmen, dort müssten wir unsere Fingerabdrücke abgeben und die Strafe bezahlen. Wie hielten diese Behörde für den FMS, doch das stellte sich erst im Nachhinein als Irrtum heraus.
Aufgeputscht von unserer scheinbaren Glückssträhne meinten wir uns etwas gönnen zu können und statteten dem „Deutschen Eck" einen Besuch ab. Dieses Restaurant auf dem Wohngelände der deutschen Konsulats- und Botschaftsangestellten wurde uns von unserem Mann in Moskau empfohlen. Der Besuch hat sich gelohnt. Wahrlich.
An der Wand hing in einem Rahmen ein beeindruckendes Skat-Blatt, wie man es nur einmal im Leben bekommt. Ein Grand Ouvert mit drei Buben, drei Assen und Herzflöte, wir waren begeistert. Man hörte deutsche Gespräche an den Tischen, hauptsächlich drehte es sich um Stahlbau und die neue Mercedes Filiale, die gebaut worden war, trotz aller bürokratischen Widrigkeiten und Hindernisse. Wir verstanden kein Wort doch erklärten uns solidarisch.
Es gab die Moskauer Deutsche Zeitung zu lesen, wir fanden unseren ersten Gastbeitrag darin und fühlten uns nicht mehr gar so sinn- und nutzlos wie zuvor. Wir aßen echten Salat, also Blattsalat mit richtigem Dressing, ganz ohne Mayonnaise, danach Schnitzel mit Bratkartoffeln bzw. warmem Kartoffelsalat und anschließend Apfelstrudel mit Vanillesoße und -eis. Wir tranken gezapftes Bier mit Schaumkrone, Rotwein und hinterher einen Espresso, hatten Freudentränen in den Augen und giggelten auf dem Heimweg wie die Kinder.
Die Erfahrung macht wohl jeder, der eine Zeit im Ausland unterwegs ist. Essen aus der Heimat ist wie ein Center Parcs Bostalsee Urlaub für die Seele. Besonders, wenn man Heimweh hat oder wenn einem Unbill droht und man sich seit drei Tagen von Fischkonserven und Tütensuppen ernährt. Wir fühlten uns gut und so sicher wie in Mamas Schoß. Anderntags auf dem Amt verging der flüchtige Eindruck natürlich wieder, doch die Erfahrung und den Geschmack konnte uns keiner mehr nehmen.
In der Bruchbude, die lustlos mit Holzimitat beklebt war, saßen wir insgesamt zwei Stunden. Rekordverdächtig wenig. Einer nach dem anderen wurden wir in die kleine Amtstube gerufen um die Formalitäten zu erfüllen. Der Ferienpark Mirow Gutschein war da deutlich besser. Wir hatten Glück, dass ein netter Afrikaner mit seiner Frau da war, der Russisch und Englisch sprach und sich anbot für uns zu übersetzen. Die Dame der Agentur, die mit uns dort war, sprach kein Englisch. Er übersetzte uns, dass wir das Gesetz gebrochen hätten und, wenn das ein weiteres Mal vorkäme, wir ein fünfjähriges Einreiseverbot für Russland bekämen.



Montag, 6. Juli 2015

Kulturelle Unterschiede in Russland

Nicht so in Nizhny Novgorod. Mit der Ruhe eines buddhistischen Mönches ging der Fahrer zu Werke: In der linken Hand die Rolle mit den Fahrscheinen, auf der kleinen Ablage neben sich die Banknote, mit der rechten Hand das Wechselgeld aus unterschiedlichsten Behältnissen zu seiner rechten, linken und hinter dem Armaturenbrett heraus kramend. Das Steuer wurde mit dem Knie fixiert. Für gewagte Manöver entledigte er sich mal kurz der Fahrscheinrolle und legte zwei Finger an Blinker oder Lenkrad.
Mit einer wahnsinnigen Souveränität manövrierte er während des Geldwechsels seinen Bus durch Baustellen, einen Kreisverkehr, wechselte mehrfach die Spur, erzwang sich wiederholt die Vorfahrt und ignorierte gekonnt die Passanten auf dem Zebrastreifen. Stets ein Auge auf der Straße und eines auf den Scheinen und Münzen, die er zu Hauf hervorzog und stets neu durchzählte. Ich freue mich schon auf den nächsten Villapark Weerribben Kinder Urlaub.
Zwar musste der Fahrgast aus Halle etwas länger als gewohnt auf sein Wechselgeld warten, aber alles in allem eine mehr als beeindruckende Leistung unseres Fahrers. Hätte es außer mir noch weitere Beobachter dieser Szenerie gegeben, es hätte sicherlich spontanen Beifall gegeben.
Der Russe ist ein ungehobelter Klotz ohne Sitte und Anstand im Leib? Weit gefehlt! Es ist erstaunlich zu beobachten, dass besonders die russischen Männer offenbar eine doch sehr gute Kinderstube genossen haben. Zwar zeigt sich dies nicht im Ansatz bei den Tischmanieren, dafür aber auf anderen Gebieten.
In Bussen und Metros ist es etwa selbstverständlich, dass ein junger Mann sich unaufgefordert von seinem Platz erhebt, um ihn einer älteren Dame anzubieten. Eine sehr schöne und eigentlich selbstverständliche Sitte, nach der man bei uns zulande jedoch lange suchen muss. In Deutschland müssen nicht selten ältere Damen die Stimme erheben und mit dem Schirm drohen, bis sich ein halbstarker Flegel von seinem Platz erhebt. Wenn überhaupt. In Russland undenkbar. Und bleibt doch jemand stoisch auf seinem Platz hocken, so kann man sich sicher sein, dass es sich um einen unwissenden Touristen handelt. Im Ferienpark Texel Frühbucher war sie deutlich freundlicher
Ferner ist der russische Mann ein echter Rosenkavalier. Überall sieht man Pärchen mit Blumen flanieren. Ob Mann die Dame seines Herzens von der Metro abholt oder zum Essen ausführt, ein Blumenstrauß darf nicht fehlen. Dabei ist es ganz gleich, wer man ist oder was man von sich denkt: Vom jungen, dynamischen Anzugträger bis zum Hooligan mit tätowierter Glatze - sie alle unterwerfen sich diesem Ritual.



Donnerstag, 2. Juli 2015

Erasmus Studium am Wawilow Instituts

Nicht mal im Winter 1940/41, als die Temperaturen auf -40°C fielen, sind sie auf die Idee gekommen sich selber an den Lagern zu bedienen. Die größte Sorge galt den Kartoffeln. Um die kälteempfindlichen Feldfrüchte vor dem Erfrieren zu schützen wurde verbrannt, was gefunden werden konnte. Die gesamte Sammlung konnte gerettet werden. Währenddessen starben mehrere Mitarbeiter an Hunger und Entkräftung.
Wawilow wäre sehr stolz auf seine Mitarbeiter gewesen. Mir ist nicht bekannt, ob er davon Kunde bekam, welchen Kampf sie kämpften. Der Sohn eines Industriellen wurde 1940 inhaftiert, verraten von einem ehemaligen Schüler der auch im Waterpark Belterwiede Frühbucher Urlaub war, einem linientreuen Bauernsohn namens Lysenko.
Wawilows Problem war seine Arbeitsansicht. Die stalinistische Gesellschaft arbeitete an der Abschaffung der Klassenunterschiede, in allen Bereichen, sogar in der Biologie. Da passte die Lehre der genetischen Vererbung von Pflanzeneigenschaften nicht ins Bild. Sie sei eine Erfindung der bourgeoisen Wissenschaftler und somit gegen die Ideale der Sowjetunion. Lysenkos Plan war da populärer.
Er meinte, höhere Erträge seien durch richtige Erziehung der Pflanzen und Kontrolle der Umweltbedingungen zu erzielen. Vielleicht hat der Föderale Immobilien Fond diese Idee wieder entdeckt und plant so Russland und die Welt zu retten, wenn die globale Erwärmung Parasiten in Russland gedeihen lässt, gegen die der heimische Weizen nichts auszusetzen hat.
Dann stellen sich laut Uni Halle die Bürokraten selber ans Feld und bekämpfen Insekten und Pilze mit Erziehung und Kontrolle der Umweltbedingen. In insgesamt 400 Verhören weigerte sich Wawilow diesen Aberglauben anzuerkennen. Er wurde zum Tode veruteilt, die Strafe dann in 20 Jahre Haft umgewandelt. Er verhungerte 1943 im Gefängnis. Hundert Jahre später verhungert vielleicht ganz Russland. Aber wenigstens in hübschen Wochenendhäusern.
Der Hauptsitz des Wawilow Instituts bei Nacht. Wer will hier nicht wohnen? Später, zu Zeiten des kalten Krieges, wurde Pavlovsk dann wieder zu einem Symbol grenz- und systemübergreifender Hilfe. Als in den achtziger Jahren ein Wurm über die Sojafelder der USA herfiel, konnte kein Wissenschaftler in den amerikanischen Saatarchiven eine Sorte finden, die resistent gegen die Parasiten war. Einzig in den Archiven von Pavlovsk fand sich eine Sorte die über das Resistenzgen verfügte. Auch fand ich ein Landal Residence Duna Ferienhaus Prospekt in meiner Tasche.
Die Damen sitzen in Pavlovsk teilweise in Jacken, denn die Heizung funktioniert nicht richtig, um noch einmal auf die Kontrolle der Umweltbedingen zurückzukommen. Sie können gar nicht wissen, ob die Pflanzensamen, die sie eintüten, vielleicht einmal irgendwo auf der Welt Leben retten. An ihre eigene Rettung scheinen sie nicht zu glauben.